Zwangspause Verletzung: Krise oder Herausforderung?

Der Profi Simon Pfretzschner gibt Einblicke: Wie gehen Sportler:innen am besten mit einer langwierigen Verletzungspause um?

Verletzt - und nun?

Zerrungen, Prellungen oder Bänderrisse kennt fast jede:r Volleyballer:in. Aber auch verstauchte Finger, Faserrisse oder Sprunggelenkschmerzen gehören für viele Freizeitsportler:innen wie selbstverständlich dazu. Die meisten kleineren Verletzungen sind nicht der Rede wert. Sie sind ebenso schnell wieder verheilt, wie vergessen. 

Was aber, wenn es nicht nur ein kleineres Wehwehchen ist? Ein Kreuzbandriss, Knorpelschaden oder Bandscheibenvorfall! Schwere Verletzungen bedeuten oft von jetzt auf gleich eine mehrmonatige Pause. Sie werfen Sportler:innen aus der Bahn und entwerfen eine ungewisse Zukunft – egal ob Profi oder Amateur.

Viele Freizeitspieler:innen wollen mit dem ersten Schock das Handtuch werfen und dem Sport den Rücken kehren. Aber auch Profis wissen oft nicht mit der Situation umzugehen und haben das Karriereende bereits vor dem inneren Auge. Schließlich war das gesamte Training vermeintlich umsonst und der Blick auf eine anstrengende Reha verleitet nicht gerade zu Jubelsprüngen. Doch genauso schnell kommt bei fast allen Sportler:innen die Leidenschaft zurück – und der Wille, schnellstmöglich wieder auf dem Platz zu stehen. Denn sie merken, wie viel ihnen der Sport bedeutet und wie sehr er fehlen würde.

Erst der Frust, dann der Blick nach vorn

Ähnlich erging es auch dem professionellen Beach-Volleyball-Spieler Simon Pfretzschner (19 Jahre): Er musste sich Ende 2020 wegen anhaltender Schmerzen einer Rückenoperation unterziehen, die eine mehrmonatige Pause nach sich zog. „Als mir die Bedeutung der Operation klar wurde, war ich richtig down“, so Pfretzschner rückblickend. „Meine ersten Gedanken waren: das war es dann erstmal mit dem Leistungssport.“ Aber schon nach ein paar Tagen wandelte sich der Blick nach vorn. Pfretzschner machte sich klar, dass die Operation mit anschließender Reha der einzige Weg zurück zu voller Leistungsstärke würde: „Ich wollte nie etwas anderes machen als Volleyball spielen und Profisportler werden. Also muss und will ich da durch.“ 

Nun beginnt für jeden Verletzten das ungeduldige Warten, bis es endlich wieder losgehen kann. Doch wie geht man mit dieser Sportpause um? Wie arbeitet man sich langsam wieder heran, um im Bestfall sogar gestärkt aus der Verletzung zurückzukommen? Wie geht man mit möglichen Rückschlägen und Motivationstiefs um?

Nichts überstürzen – Kurzfristige Ziele setzen

Laut Pfretzschner ist es wichtig, den Genesungsprozess behutsam und planvoll aufzubauen. Auch wenn natürlich jede:r Sportler:in schnell zurück will, sollte nichts überstürzt werden. „Geduld zahlt sich aus. Ich konnte die ersten Wochen nur Physiotherapie und leichte alltägliche Dinge machen. Das war hart, aber bereits nach einigen Wochen habe ich gemerkt, dass es bergauf geht. So habe ich nur von Woche zu Woche geschaut.“

Dabei hilft es, sich kurzfristige und kleine Ziele zu setzen. Aus diesen kann man dann Motivation für weitere Schritte ziehen.  „Man muss sich immer wieder vor Augen führen, dass man täglich kleine Fortschritte macht. Auch wenn man die nicht sofort sieht“, erklärt Pfretzschner. So hat er auch gelernt, besser in seinen Körper „reinzuhören“ oder Schmerzen zu unterscheiden. „Das wird mir auch in Zukunft enorm helfen“, nimmt er viel Positives aus der Verletzungspause mit. „Ich weiß jetzt, dass ich jeden Tag an meine Gesundheit denken und etwas für meine Gesundheit tun muss.“

 

Abschalten lernen – Verletzung aus dem Alltag verbannen

Weitere Unterstützung und Motivation hat Pfretzschner aus seinem Umfeld erhalten. Dabei war es nicht nur hilfreich, dass der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) ihm das volle Vertrauen geschenkt hat und er keinen Druck von außen hatte. Auch der fast tägliche Austausch mit den Reha- und Athletiktrainern sowie Gespräche mit anderen betroffenen Beach-Volleyballern waren für den jungen Sportler wichtig. 

Vor allem aber sollte die Verletzung nicht den gesamten Alltag beherrschen. Denn nur wer auch abschalten kann und den Kopf frei bekommt, kann neue Kraft und Motivation für den weiteren Genesungsprozess sammeln. „Ich habe mit meinem Team die Absprache getroffen, dass die Verletzung sozusagen im Kraftraum zurückbleibt und ich sie gedanklich nicht mit nach Hause nehme“, erklärt der Athlet. „Wahrscheinlich hätte es mich eher verunsichert, ständig über die Verletzung zu sprechen und sie so gedanklich immer präsent zu haben.“ Stattdessen hatte er laut eigener Aussage im Sommer einfach eine gute Zeit mit Freunden. Zweifel, dass er den richtigen Weg eingeschlagen hat, kamen so erst gar nicht auf.

Zudem hat Pfretzschner sich nebenbei einem neu entdeckten Hobby gewidmet: Er malt. „Das Malen macht echt Spaß und hilft super beim Abschalten. Ich komme sofort auf andere Gedanken und die mentale Belastung vom Sport ist erstmal weg.“ Ein Hobby, das der junge Beach-Volleyballer auch in Zukunft weitermachen will, da es eine perfekte Abwechslung zum Sportalltag ist.

Lehren aus der Verletzung ziehen – zukünftigen Verletzungen vorbeugen

Es ist also entscheidend, positive Erfahrungen und Erlebnisse aus der Verletzungspause mitzunehmen und beizubehalten. Dazu zählt auch, Lehren und Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. „Es bringt in meinen Augen nichts, sich Gedanken zu machen oder Angst zu haben, ob man sich wieder schwer verletzt“, so Pfretzschner. „Stattdessen kann jeder versuchen bestmöglich vorzubeugen und daran arbeiten, dass eine Verletzung nicht erneut auftritt.“ So hat bei ihm beispielsweise ein Lerneffekt eingesetzt, dass sein Rücken einen kleinen Startschuss in den Tag benötigt: „Das habe ich früher so gar nicht bemerkt. Jetzt habe ich einfach einige Dehn- und Aktivierungsübungen wie selbstverständlich in meine morgendliche Routine eingebaut.“ Auch jeder Hobbysportler könne das problemlos umsetzen.

Aus der Verletzung hat der Leistungssportler auch gelernt, entspannter mit sich zu sein: „Ich war oft sehr hart zu mir selbst. Dadurch habe ich mich selbst unnötig unter Druck gesetzt und die kleinen Fortschritte im Training gar nicht richtig wahrgenommen.“ Auch wenn der Perfektionismus bleibt, viele Dinge kann er jetzt lockerer und bewusster angehen – und wenn nötig, auch mal einen Gang zurückschalten.

Simon Pfretzschner hat seine langwierige Verletzung als Herausforderung angenommen und nimmt daher viel Positives und Lehrreiches auch für die Zukunft mit. „Ich kann jedem Sportler in solchen Situationen nur empfehlen, optimistisch zu bleiben, die kleinen Fortschritte zu sehen und auch mal auf andere Gedanken zu kommen.“ Dann können Sportler:innen auch gestärkt aus einer Verletzung auf den Platz zurückkehren.

Auf dem Weg zur deutschen Beach-Volleyball-Spitze hat für Pfretzschner die Gesundheit oberste Priorität: „Ich will fit und gesund bleiben. Ziel ist es dann, hoffentlich schnell wieder hundertprozentige Leistungsfähigkeit zu erlangen.“ Schließlich hat er trotz der schweren Verletzung nie sein Fernziel aus den Augen verloren: Die Teilnahmen an Olympischen Spielen.

Simon Pfretzschner ist 2002 geboren und in Karlsfeld bei Dachau aufgewachsen. Seit seinem neunten Lebensjahr spielt er Volleyball und Beach-Volleyball. Bereits mit 16 Jahren zog Pfretzschner aus der bayerischen Heimat nach Berlin, um am dortigen Stützpunkt seinen Weg als Profisportler einzuschlagen. In Berlin besuchte er ein Sportinternat und machte dort das Abitur. In dieser Zeit spielte er in der Halle in der dritten Liga für VCO Berlin sowie den ASV Dachau und wurde 2018 mit der Junioren-Nationalmannschaft U18-Europameister. Im Sand verteidigte er im gleichen Jahr seinen Deutschen Meistertitel von 2017 und siegte bei der U18-DM. Bei seiner ersten Herren-DM 2020 belegte Pfretzschner mit Milan Sievers Platz Fünf. Wenige Wochen später wurde er mit Momme Lorenz U20-Vize-Europameister. Nach dem Abitur wechselte er Mitte 2021 an den Leistungsstützpunkt nach Hamburg und konzentriert sich fortan nur noch auf den Beach-Volleyball. In Hamburg wird er von Alexander Prietzel und Thomas Kaczmarek trainiert.

Anzeige

Weitere Artikel zu Freizeitsport-Themen und Beachcamps

Hier auf der Seite findest du die Artikel rund um den Top-Sport.

Weitere Artikel zu Freizeitsport-Themen und Beachcamps gibt es hier:

Dein Sport Artikel         Beachcamps