Junge Schweden als Vorreiter des Sprung-Zuspiels

Sie sind schnell, sie sind athletisch, sie spielen unkonventionell: Die beiden Schweden David Åhman und Jonatan Hellvig versuchen sich aktuell auf der internationalen Weltserie (Pro Beach Tour) an die Spitze zu schmettern und haben beim Challenge Turnier in der Türkei zuletzt die Silbermedaille gewonnen. Einen Namen haben sich die beiden Beach-Volleyballer aber schon längst gemacht - allerdings nicht nur durch ihre zahlreichen Siege im Jugendbereich. Denn das Duo fällt vor allem durch eines auf: Sein Zuspiel.

Åhman und Hellvig sehen den zweiten Ballkontakt stets als potenziellen Angriffsball. Heißt: Der Zuspieler läuft an, springt und entscheidet erst dann, ob er zuspielt oder den Ball direkt im gegnerischen Feld versenkt. Eine Taktik, die vor allem gegen blockstarke Teams - und davon gibt es an der Weltspitze eine Menge - zum Zünglein an der Waage werden kann. Nicht umsonst machen sich mittlerweile auch andere Nationalteams diesen Stil zu Eigen. Doch funktioniert dieses schnelle Spiel auch im Schwimmbad um die Ecke? Können Freizeitspieler:innen den Profis nacheifern?

 

Warum sollte er nicht?

„Beach-Volleyball ist eine Sportart, die sich immer wieder neu erfinden wird, aber nur durch Dinge, die wir erstmal kritisch beäugen“, ist Kay Matysik, der seit 2019 den männlichen Beach-Volleyball Nachwuchs trainiert, überzeugt. Als Beispiel nennt er den mittlerweile weltweit bekannten Skyball - das Markenzeichen des Italieners Adrian Carambula. Und seien wir mal ehrlich: Es gibt wohl kaum Freizeitsportler:innen, die diesen Aufschlag noch nie ausprobiert haben oder annehmen mussten. Er gehört längst zum Beach-Volleyball dazu.

 

Sprung-Zuspiel im Praxistest

Ähnlich könnte es mit dem Sprung-Zuspiel aussehen. Wichtigste Voraussetzung: Eine gute Annahme. Möglich ist es, Matysik hat es im Rahmen eines Freizeittrainings für Frauen integriert. Und siehe da - trotz anfänglicher Diskussionen der Teilnehmerinnen über die Sinnhaftigkeit hat es überraschend gut funktioniert.„Natürlich sind es noch immer keine Wunderpritscher und es war immer noch die Hälfte der Zuspiele Ausschussware, aber es waren wirklich fünf Zuspiele dabei, die sie aus dem Stand nicht besser gemacht hätten“, erklärt der einstige Spitzen-Athlet.

 

 

„Man muss den Sportlern das Werkzeug wenigstens anbieten“ 

Kay Matysik

Dafür hat er auch eine ganz logische Erklärung: Durch den Sprung beim Zuspiel werden verschiedene Fehlerquellen quasi ausgeschaltet. „Man ist nicht mehr am Boden, kann nicht weg knicken oder einen falschen Impuls aus dem Knie oder aus der Hüfte geben.“ Außerdem verbessere das Sprung-Zuspiel enorm die Koordination, weil man zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein muss. Ansonsten wird man - in dem Fall vom Schiedsrichter - gnadenlos bestraft. 

Trotz dieser Gefahr haben am Ende des Training zwei seiner Schützlinge sogar ohne Aufforderung das Sprung-Zuspiel weiterhin angewandt. „Man muss den Sportlern das Werkzeug wenigstens anbieten. Ob der Spieler, egal ob im Profi- oder im Freizeitbereich es dann auch nutzt, ist ihm selbst überlassen“, so Matysik.

 

Warum das „Sprung-Zuspiel“ noch nicht bei den deutschen Profis angekommen ist

Doch wie kommt es eigentlich, dass wir bislang bei Clemens Wickler, Sven Winter & Co dieses neue Element nur im Notfall sehen? „Unsere aktuellen Spitzenteams sind anders groß geworden“, erklärt Kersten Holthausen, Stützpunkttrainer beim VC Olympia in Berlin. Bislang seien die Deutschen immer sehr auf ihre drei Ballkontakte und eine saubere Technik bedacht - was insbesondere an den strengen Schiedsrichtern liegt. „In Deutschland wird strenger gepfiffen, als auf der World Tour. Solange das der Fall ist, machen wir uns selber das Leben schwer“, klagt Holthausen an. 

Kein Wunder also, dass das Verwerten des zweiten Balls nie eine Option war. Doch das wird sich bald ändern. „Bei uns im Stützpunkt trainieren wir bereits verschiedene Optionen im Zuspiel“, so der Coach. So gebe es vor jeder Einheit ein Zuspiel-Zirkel, um „bereits bei den Jüngsten das Verständnis zu wecken, Bälle auch im Sprung zuzuspielen“.

 

Erste Erfolge konnten Beach-Fans bereits sehen: Die Nachwuchs-Talente Lui Wüst, Mio Wüst, Philip Huster, Max Just und Momme Lorenz traten bei den deutschen Meisterschaften am Timmendorf Strand 2021 bereits alle mit Sprung-Zuspiel auf. Und selbst wenn sich der zweite Angriffsball an der Weltspitze nicht komplett durchsetzen wird, ist Holthausen überzeugt, dass es immer wieder Teams geben wird, für die dieser Ball ein druckvolles Mittel gegen den Block sein kann. 

Doch nicht nur das Sprung-Zuspiel wird an den deutschen Stützpunkten trainiert. Denn Kay Matysiks Philosophie lautet: Hohe Perfektion im oberen Zuspiel ist ein absolutes Muss. Das Sprung-Zuspiel sei dabei nur eine Variante von mehreren Passmöglichkeiten. Er sei ein absoluter Verfechter davon, dass Spiel variabler zu gestalten, die Kreativität der Spieler zu fördern und ihnen einen eigenen Plan in die Hand zu geben. „Das stärkt enorm das Selbstvertrauen.“ 

 

 

Wie sieht’s bei den Frauen aus?

Bislang ist das Sprung-Zuspiel vor allem bei den Männern aufgetaucht. Doch vereinzelt wagen sich in der Saison 2022 auch die ersten Frauen an das „neue“ Element. So zum Beispiel Sarah Sponcil aus den USA. „Die Frauen hängen bisher immer vier bis fünf Jahre hinterher“, erläutert Matysik. Dadurch hätten die Frauen aber auch immer die Chance, bei den Männern zu schauen, was sportlich passiert und was sie für sich übernehmen wollen und können.