Eine Nacht für die Ewigkeit

17. August 2016, Copacabana Beach

Der Wind pfeift harsch durch das Stadion von Rio de Janeiro. Die Bedingungen sind schwierig. Die Lautstärke ist ohrenbetäubend. Fast 12.000 Fans grölen und klatschen.
Die Mehrheit feuert die brasilianischen Gegnerinnen an.
Es fehlt nur ein Punkt zum Olympiasieg.

Kira Walkenhorst und Laura Ludwig stehen vor dem größten Ereignis ihrer Karriere.
Und ihre Nerven beginnen zu flattern.

„Wenn Laura und ich diesen Punkt jetzt nicht machen, dann müssen wir auf die schlechte Feldseite. Und dann ging auf einmal mein Kopfkino an. Plötzlich waren so viele Gedanken in meinem Kopf, die ich bis dahin komplett verdrängt hatte“, erinnert sich Kira.

Der Aufschlag landete neben der Linie. Ob es der raue Wind war, der den entscheidenden Ball der Brasilianerinnen ins Seitenaus manövrierte?

Freude und Erleichterung lassen Kira auf die Knie fallen. Sie springt auf und umarmt ihre Spielpartnerin.

Wenn sie über den wichtigsten Moment ihrer Karriere nachdenkt, dann ist es vor allem diese eine Sequenz, welche ihr im Kopf geblieben ist.
Der Moment, der ihren Kindheitstraum wahr werden ließ und sie zur Olympiasiegerin machte. Kein deutsches Damenteam hatte das je erreicht.

Wahrscheinlich haben wir die sonst so zurückhaltende Kira nie wieder so laut und ausgelassen erlebt wie in dieser Nacht. Ganz Deutschland jubelte mit, als unsere „Golden Girls“ mit ihren Goldmedaillen um den Hals in die Kameras strahlten.

Acht Jahre später und nur wenige Tage vor ihrem Karriereende sprach die heute 33-Jährige mit Beach-volleyball.de über die Höhepunkte ihrer Karriere und ihre Pläne für die Zukunft.

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Der Weg zu Gold

Schon mit fünf Jahren pritschte Kira die ersten Bälle. Kein Wunder, denn sowohl ihre Eltern als auch beide Geschwister spielten ebenfalls aktiv und nahmen sie früh in die Halle mit.
Am liebsten hätte die junge Kira überall mitgemischt: Volleyball, Basketball, Fußball und Handball. Damit die Schule nicht zu kurz kommt, musste sie sich jedoch für eine Sportart entscheiden. Den meisten Spaß hatte sie am Volleyball. Und auch wenn ihr Ehrgeiz und hoher Leistungsanspruch in den folgenden Jahren immer stärker wurden: Wahrscheinlich war die hohe intrinsische Motivation in der Kindheit die Basis dafür, dass sie ihrem Sport so kontinuierlich und engagiert treu geblieben ist.

Die ersten professionellen Schritte erfolgten mit 14, als Kira zum Volleyball-Internat nach Berlin wechselte. Hier machte sie auch die ersten Angriffe für die Juniorinnen-Nationalmannschaft in der Halle. Kira merkte jedoch schnell, dass es sie eher in den Sand zieht und feierte schon kurz darauf mit Mareen Terwege die erste deutsche C-Jugend-Meisterschaft.

Und obwohl sie bereits 2010 das erste Mal an der deutschen Meisterschaft im Beachvolleyball teilnahm, wechselte sie noch bis 2013 regelmäßig zwischen Hallenboden und Sand.

Durch die Partnerschaft mit der damals schon erfolgreichen Laura Ludwig ab 2013 war der alleinige Fokus auf Beachvolleyball unumgänglich.
Kira hatte große Ziele und wollte mehr Verantwortung. Sie mussten im Zweierteam viel mehr selbst organisieren, hatten deutlich mehr Ballkontakte und in schlechten Phasen stand keine Auswechselspielerin bereit.
Als Belohnung winkten Spielorte, an denen andere Urlaub machen.

Laura und Kira bereisten sie gemeinsam – und sammelten von 2013 bis 2017 unzählige internationale Trophäen. Die größten Erfolge waren neben der olympischen Goldmedaille: der zweifache Europameistertitel, der 3-malige Gewinn der Deutschen Meisterschaft, zwei Finalsiege auf der World Tour (2016 und 2017) und der Sieg der Weltmeisterschaft 2017.

Obendrauf kamen die hochverdienten Auszeichnungen als Beachvolleyballerin des Jahres (2016), Mannschaft des Jahres (2016 und 2017) sowie Sportlegenden des Jahrzehnts (2020).

Die Gründe für diese beeindruckende Sammlung an Siegen und Auszeichnungen sind vielfältig. So unterschiedlich die zurückhaltende Kira und die extrovertierte Laura nach außen wirkten, so gleich waren ihre Ziele und ihr ungebremster Wille, alles für den Erfolg zu geben.

Stärken

Kira war selten die Wortführerin in den Timeouts. Dafür immer hochkonzentriert, sehr bei sich, fokussiert. Sie ist bekannt für ihre harten Angriffsschläge und ihre präzisen Aufschläge. Es sind Fähigkeiten, an denen sie unermüdlich über Jahre hinweg gearbeitet hat. Unter ihrem Olympiatrainer Jürgen Wagner erlernte sie sogar als längst etablierter Profi ganze Bewegungsabläufe noch einmal neu.

Sie antizipierte das Verhalten ihrer Gegnerinnen und richtete den Block so aus, dass manche Gegnerin daran verzweifelte. Nicht ohne Grund galt Kira zu ihrem Karrierehöhepunkt als wahrscheinlich beste Blockspielerin der Welt.

Zusammen mit Laura Ludwig und ihrer Sportpsychologin perfektionierte sie über viele Jahre das Konzept des „handlungsorientierten Spiels“: Die Konzentration gilt nur dem nächsten Ball, eigene Emotionen bleiben außen vor.

Sicher war ihre ausgeprägte mentale Stärke ausschlaggebend dafür, dass Kira nach jeder Verletzung immer wieder den Weg zurück in den Sand fand.
 

Rückschläge

Kiras große beeindruckende Erfolge waren immer wieder von Rückschlägen geprägt. Zahlreiche körperliche Probleme und die Diagnose „Pfeiffersches Drüsenfieber“ zwangen sie immer wieder zu Auszeiten, in die Reha und sogar schon einmal zu einem vorübergehenden Karriereende. Was diese unzählbaren Comebacks an Mut, Willen und mentaler Arbeit benötigten, kann man nur erahnen.
Wenn Kira über ihre zahlreichen Verletzungen und Operationen spricht, bekommt man den Eindruck, sie hatte nie den Gedanken, einfach alles hinzuwerfen. Ihr Fokus liegt früher wie heute auf den Learnings und Zielen.

„Die härteste Erfahrung war für mich die WM in 2015. Wir sind mit einer schlechten Leistung sehr früh auf Platz 17 ausgeschieden“, erinnert sich Kira. „Trotzdem war es im Nachhinein wahrscheinlich die wertvollste Niederlage überhaupt. Es hat uns noch härter und fokussierter arbeiten lassen. Das war der Wendepunkt, der zu vielen Erfolgen führte.“

Mit Leichtigkeit in die Zukunft

Von diesen Erfahrungen profitieren inzwischen Unternehmen und Nachwuchssportler.
Kira tritt als Speakerin und Expertin zum Thema „Motivation und Gesundheit“ auf und begleitet als Mentorin die Nachwuchsathleten in Düsseldorf.

Ihren eigenen Trainingsumfang hat sie inzwischen reduziert. Dass dadurch ihre Athletik etwas zurückgegangen ist, macht ihr heute keine Sorgen. Die Zeiten, an denen sie ein schlechtes Training mit nachhause genommen hat, sind längst vorbei. Die Verbissenheit von früher ist inzwischen einer großen Portion Gelassenheit gewichen. „Ein verlorenes Spiel ist kein Problem mehr. Ich freue mich dann, dass ich früher nachhause zu meinen Kindern kann“, grinst Kira.

Sie ist entspannt, gut gelaunt und man merkt, wie positiv und zufrieden sie heute auf ihre Karriere und auch das nahende Ende der Profi-Laufbahn blickt. Die Entscheidung, endgültig aufzuhören, hat sie schon zu Beginn der Saison getroffen. Sie ist müde, immer wieder mit ihrem Körper zu kämpfen und möchte ihre Prioritäten neu setzen. Ab jetzt stehen ihre Frau Maria und die drei Kinder an erster Stelle.

Diese Leichtigkeit ist der wahrscheinlich größte Unterschied zur früheren Kira. „Selbst verlieren kann Spaß machen, wenn wir vorher gute Ballwechsel hatten. Das ist mein Learning aus dieser letzten Saison“, erklärt Kira.

Und so ganz lassen kann sie es doch nicht. Uns verrät sie, dass sie nur zwei Tage nach der Deutschen Meisterschaft schon ihr erstes Handballtraining gebucht hat – allerdings nur mit Freunden und als Hobby.

Für ihr letztes Beachvolleyball-Match, an der Seite von Isabel Schneider, steht nur ein bescheidenes Ziel fest: „Ich möchte mit einem zufriedenstellenden Spiel aufhören und das Turnier einfach genießen.“

Noch ein letzter Wettkampf. Nach der Deutschen Meisterschaft ist Schluss.

Jetzt gilt es also, sich noch einmal den geliebten Wind von Timmendorf um die Nase wehen zu lassen und den Moment zu zelebrieren, wenn das letzte Mal der Ball in den Sand fällt und Kira unter tosendem Applaus von Wegbegleitern und Fans für ihre außergewöhnliche Karriere gefeiert wird.

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