Ein Stück Normalität

Das letzte Qualifikationsturnier in Berlin für die Deutschen Meisterschaften war eines der wenigen mit Zuschauern und richtiger Atmosphäre. Das Zwischenfazit eines ungewöhnlichen Sommers.

Die Bühne bebt. Die Menge kann sich kaum noch auf den Plätzen halten, während sie die Spieler so laut anfeuert, dass man sein eigenes Wort nicht verstehen kann. Die Lokalmatadoren Dirk Westphal und Cody Kessel von den Hauptstadt Beachern stehen auf dem Center Court den Poniewaz-Brüdern Bennet und David gegenüber. Von der Ansetzung her hätte das Spiel für die auf Platz zwei gesetzten Zwillinge ein Leichtes sein können.  Doch der Support der Berliner Community trägt Westphal/Kessel zu einem Sieg über die Favoriten – das Spiel steht exemplarisch für den Unterschied, den Zuschauer beim Beach-Volleyball ausmachen können. 

Bisher war es eine außergewöhnliche Saison für den Beach-Volleyball. Zu Beginn konnten viele Teams nur eingeschränkt trainieren aufgrund der Corona-Pandemie, dann kam der  Ausfall der German Beach Tour. In Beach Mitte in Berlin fand am Wochenende das letzte Ersatz-Qualifikationsturnier für die Deutsche Meisterschaft in Timmendorfer Strand statt. Von Freitag bis Sonntag kämpften deutsche Top Teams für die hart ersehnten Ranglisten Punkte, und genossen vor allem das Gefühl, wieder vor einem Publikum zu spielen.

Gemeinsam den Sport aufrechterhalten

“Jetzt ist endlich das Gefühl da. Es ist so schön, vor Zuschauern zu spielen”, sagt Westphal. “Wir sind auch einfach froh, dass wieder regelmäßiger Spielbetrieb ist. Für uns von den Hauptstadt Beachern war es eine Herzensangelegenheit, das zu organisieren und in dem Umfang auch zu stemmen”. Am Ende landeten Westphal und Kessel auf Rang fünf und holten wichtige Punkte für die Deutschen Meisterschaften in Timmendorfer Strand.

Auch Theo Timmermann, der seit dem vergangenen Jahr mit Jonathan Erdmann ein Team bildet, ist begeistert von der Atmosphäre. Für ihn sind es seine ersten Spiele mit Moderator und Zuschauern. Timmermann ist zwar kein Neuling in der Beach Szene und belegt in der nationalen Rangliste Platz acht. Doch aufgrund der Corona-Pandemie konnte er bisher keine Deutsche Tour spielen. 

“Mit Zuschauern ist es etwas ganz anderes. Es hilft mir, positiv zu bleiben”, schwärmt Timmermann. “Jeder gute Punkt fühlt sich noch besser an. Jeden schlechten…. kann ich dann weglächeln.” Timmermann scheitert im Halbfinale gegen Reinhardt / Sievers und landet zusammen mit dem Team Becker / Dollinger auf Platz drei. Für ihn ist es erstaunlich, wie sehr die vergangene Zeit die Spieler:innen auf eine Art zusammengebracht hat: “Man arbeitet mehr zusammen, obwohl man ja eigentlich gegeneinander arbeitet. Um gemeinsam den Sport aufrecht zu erhalten”, sagt Timmermann. 

Berlin als neuer Tour-Stopp?

Um dieses Erlebnis den Spieler:innen und der Beach-Community zu ermöglichen, haben sich Beachfactory, Beach Mitte und die Hauptstadt Beacher e.V. zusammengetan. Mit mehr als 50 ehrenamtlichen Helfer:innen war es möglich, kurzfristig so ein großes Event auszurichten, das auch den Durchführungsbestimmungen des Deutschen Volleyball Verbandes (DVV) entspricht und alle Corona-bedingten Auflagen erfüllt.

“Seit klar war, dass die Deutsche Tour nicht stattfindet und nach Alternativen gesucht wird, waren wir und Lukas Thiel direkt im Gespräch mit dem DVV”, sagt Patrick Gruhn, Geschäftsführer der Hauptstadt Beacher. Für ihn wird dadurch vor allem der Vereinszweck erfüllt, den Sport voranzutreiben, der Szene etwas zu bieten und letztendlich auch dem Beach-Volleyball die Bühne zu geben, die er verdient hat. Ob Berlin auch zukünftig ein Tour-Stop werden kann, steht für Gruhn noch nicht zur Debatte. “Wir wollen erst einmal dieses Wochenende gut hinter uns bringen. In diesem Rahmen, mit ungefähr 250 verkauften Tickets für Samstag, und insgesamt ungefähr 500 Leuten hier, war das machbar. Wenn das größer werden soll, wird die Frage sein, wer es macht und was es kostet”, sagt Gruhn. 

Kommentiert und gestreamt wurde das Turnier auch von Trops4, die schon bei vergangenen Qualifikations-Turnieren mit dabei waren. Organisator des Twitch-Kanals Alexander Walkenhorst war auch vor Ort, diesmal ebenfalls als Spieler mit im Sand. Er landete mit Partner Sven Winter auf Platz fünf. 

Berlin als Ersatz-Tour-Stopp hat auch einige alte Größen aus der Szene angelockt. So feuerten Britta Büthe und Julia Großner ihre alten Weggefährtinnen vom Spielfeldrand an, und auch Kay Matysik war dabei, um seine Zöglinge zu betreuen - wie den Deutschen Vizemeister U18 Hennes Nissen. Auch für erfahrene Spieler:innen wie Chantal Laboureur war es schön, ein Stück Normalität hier zu erfahren und wieder vor Zuschauern zu spielen. Nicht alle Qualifier bisher waren mit Zuschauern: In Stuttgart beispielsweise waren keine erlaubt.

Hoffentlich hat man nächstes Jahr schon vergessen, dass es mal keine Zuschauer gab

Turniersiegerin Sandra Ittlinger ist auch sehr dankbar für die Möglichkeit, wieder ein Turnier zu spielen, das an vergangene Zeiten erinnert. Sie hat mit ihrer neuen Partnerin Kim Behrens in einem packenden Finalspiel gegen das Nachwuchstalent Svenja Müller mit Partnerin Cinja Tillmann 2:1 gewonnen.  

“Dieses Jahr ist schon viel cooler als letztes Jahr, und hoffentlich hat man nächstes Jahr schon vergessen, dass es mal keine Zuschauer gab”, sagt Ittlinger. Sie findet es vor allem schade, dass es international so wenig Turniere gab. Mit Behrens hat sie nach vier gespielten und drei gewonnen Turnieren auch mittlerweile eine Stabilität gefunden, die sie gerne nächstes Jahr auf internationaler Ebene beweisen möchte. 

Es war für viele Spieler:innen keine Saison, wie sie sie kannten. Doch bei den meisten überwiegt die Freude darüber, endlich wieder spielen zu können und ganz in die Atmosphäre eines Turniers eintauchen zu können. “Wir haben einfach gelernt, Turniere und alles was dazu gehört, richtig zu schätzen und nicht als selbstverständlich abzutun”, sagt Timmermann und die neben ihm sitzenden Spieler Lukas Mäurer und Niklas Rudolf pflichten ihm bei. Im Hintergrund ertönt die Stimme des Moderators vom Center Court: “Mann, ist das toll mit euch! Endlich mal wieder Stimmung!”

Gewonnen hat bei den Männern das Team Pfretzschner/Sowa, die ebenso wie Ittlinger/Behrens 90 Ranglistenpunkte bekommen. Für die Deutsche Meisterschaften in Timmendorf haben sich beide Teams schon über die Rangliste qualifiziert. 


Hier kommt ihr direkt zur Ergebnisliste am Wochenende.

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