Kleine Gesten mit großer Bedeutung

Es ist nie zu spät, Rituale und Routinen in das eigene Spiel einzubauen. Erfahre hier, wie du davon profitieren kannst.

Routinen schon in jungen Jahren entwickeln

Was oft nur eine kleine Geste ist, hat eine große  Bedeutung. Das Abklatschen nach einem Punkt im Beach-Volleyball ist nur eine von unzähligen Möglichkeiten, wie sich Athlet:innen Routinen geschaffen haben, um den Fokus zu bewahren und unter Druck Leistung zu bringen, weiß Theresa Hoffmann. Sie hat als studierte Sportpsychologin in der Saison 2019/20 ein Frauenteam betreut und dieses bis zu den Deutschen Meisterschaften in Timmendorfer Strand begleitet. (Anmerkung: Aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht wird nicht veröffentlicht, um welches Team es sich handelt.)

“Routinen sind sehr wichtig. Sie entlasten die Sportler:innen unfassbar”, sagt Hoffmann. Ihrer Ansicht nach sollte jede/r Spitzensportler:in in jungen Jahren beginnen, Routinen zu entwickeln: “Und wenn es nur die Tasche packen ist. Routinen helfen den Menschen, ihren Fokus zu bündeln und sie in einen Tunnel zu bringen, in dem sie sich nicht so leicht ablenken lassen.”

 

Rituale basieren auf Aberglauben

Dabei unterscheidet Hoffmann klar zwischen Routinen und Ritualen. So basieren Rituale eher auf Aberglauben. “Ein klassisches Beispiel ist der Tennisprofi Nadal. Er muss immer mit dem rechten Fuß über die hintere Linie gehen, sonst würde er denken, er verliert”, erklärt Hoffmann. Rituale geben ein Gefühl der Sicherheit, indem man das Gelingen seines Vorhabens an eine Handlung knüpft. Führt man diese jedoch nicht durch, werden sie oft zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung. 

Bei Beach-Volleyball-Profi Paul Becker haben sich über die Jahre auch einige Rituale eingeschlichen. Ob es die Reißkniebeuge ist, mit der er sein Krafttraining einleiten muss, um zu wissen, dass es losgeht, oder auch das Theraband für die Kräftigung der Schulter vor dem Spiel: “Für mich sind das Dinge, ohne die ich mich nicht bereit fühle”, sagt Becker. “Und wenns im Spiel richtig schlecht läuft, dann wechsel ich die Kappe, als Zeichen für den Neustart”.

Routinen helfen beim Fokusieren

Routinen hingegen haben laut Hoffmann einen anderen Zweck. Der immer gleiche Ablauf schafft für die Sportler:innen einen wiederkehrendes bekanntes Muster. Das helfe, den Kopf zu entlasten und so den Fokus zu haben, Handlungen zum richtigen Zeitpunkt gut auszuführen. “Solch eine Routine kann etwas körperliches sein, aber auch einfach etwas, woran ich denke”, sagt Hoffmann. 

So haben Becker und sein Partner Armin Dollinger einen standardisierten Ablauf entwickelt: “Diese Saison haben Armin und ich vor jedem Spiel immer das Lied “Erfolg ist kein Glück” von Kontra K gehört. Direkt vor Beginn suchen wir beide uns dann noch mal eine ruhige Ecke und schwören uns ein, wie wir zusammen spielen wollen.” Und wenn sie es einmal ausgelassen haben? “Der Moment im Spiel, in dem du daran denkst, es nicht gemacht zu haben, reicht oft schon um dich aus dem Konzept zu bringen”, sagt Becker.

 

Ritual oder Routine?

Der Übergang zwischen einem Ritual und einer Routine sei jedoch oft fließend. Entscheidend sei die Einstellung dahinter: Tue ich das, um mich in einen Fokustunnel zu versetzen, oder habe ich Angst zu verlieren, wenn ich das nicht mache, fragt Hoffmann. Was sie für besser halte? Ihrer Ansicht nach sei alles gut, was einem Sicherheit verschafft. Routinen tauchen jedoch ab einem gewissen sportlichen Niveau in einem Trainingsablauf vermehrt auf. “Gerade im Beach-Volleyball hilft es enorm, zusammen in klare Strukturen zu gehen. Teams, die das machen, haben bestimmt einen Vorteil, indem sie diese Zeit gemeinsam füllen”, sagt Hoffmann.  

Auch Hannah Ziemer bemüht sich seit Jahren aktiv um Routinen sowohl im Sport als auch in ihrem Alltag. Sie schreibt jeden Tag nach dem Aufstehen drei Seiten voll. “Danach fühle ich mich geleert, und habe wieder Kapazitäten für etwas anderes.” Auf dem Feld hat sich Ziemer auch ein paar Abläufe angewöhnt. So legt sie vor jedem Aufschlag den rechten Zeigefinger auf das Ventil, um in der Zeit Fokus aufzubauen und in ihren Rhythmus zu finden. Macht sie einen Fehler im Spiel, nimmt sie Sand in die Hand und schmeißt ihn aus dem Feld. “Ich werfe buchstäblich den Fehler weg. So kann ich das besser akzeptieren, abhaken und mich auf den nächsten Ball konzentrieren”, erklärt Ziemer. “Wenn ich das weglasse, würde ich denken, da fehlt noch was. Die Kette des Verarbeitens wäre sonst nicht vorbei.”

 

Viel Potenzial in Ritualen und Routinen

Rituale und Routinen ändern sich oftmals im Laufe der Jahre. Mal kommt etwas hinzu, weil einem der/die Trainer:in dazu geraten habe, mal hat man sich selbst was abgeschaut. Ein gänzliches Weglassen von Routinen hält Hoffmann für wenig sinnvoll. “Es steckt einfach zu viel Potential drin, einem Handlungssicherheit zu geben”, sagt die Sportpsychologin. 

Und wenn es klappt, warum sollte nicht auch ein bisschen Aberglaube dabei sein? “Letztendlich ist alles sinnvoll, was dir hilft zu gewinnen”, sagt Becker. “Eigentlich schafft man sich eine Situation, in der man sich selbst verarscht. Aber danach fühlt man sich besser und es hat ja auch wieder einmal geklappt.”

 

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