“Die Entbehrungen sehen die wenigsten”

Karla Borger und Julia Sude scheiden früher aus dem olympischen Beach-Volleyball-Turnier aus als erhofft. Und finden danach eindrucksvolle Worte.

Karla Borger griff nur noch schnell nach ihrem Rucksack. Schnell wollte sie weg vom Center Court des Beach-Volleyball-Stadions in Tokio, dem Ort, an dem die Olympischen Spiele für Borger und Partnerin Julia Sude kurz zuvor ein abruptes Ende gefunden hatten. Nach der dritten Niederlage im dritten Spiel schied das Nationalteam aus und belegt nur Rang 19. In der Mixed Zone suchte Borger noch nach Worten, kämpfte zwischendurch mit den Tränen. Später schrieb sie in den sozialen Medien: “An so einem Tag fragt man sich schon, wofür man das alles gemacht hat, die ganzen Entbehrungen über die Jahre, keine Zeit für Familie und Freunde, Hobbies oder ähnliches. Nur um dann beim “größten” Turnier nicht zu performen.” Eindrucksvolle Worte einer Athletin, die dem Leistungssport alles untergeordnet hat.

Borger und Sude haben jahrelang an der Qualifikation für die Olympischen Spiele gearbeitet, unzählige Stunden im Kraftraum und im Sand verbracht, dazu kommt die Zeit auf der Physiobank und die Arbeit mit einer Sportpsychologin. “Die vielen Siege, die Leistungen, die Entbehrungen, alle Schwierigkeiten davor, die sehen die wenigsten”, ergänzt Borger. Das alles hat sich zunächst ausgezahlt, das Team hat die Qualifikation trotz verhältnismäßig kurzer Zusammenarbeit souverän gemeistert. Ein Erfolg, der dem Großteil der Sportler:innen verwehrt bleibt; für Borger war es sogar schon die zweite Olympia-Teilnahme. Julia Sude konnte sich den Traum erstmals erfüllen, nachdem sie die Spiele in Rio de Janeiro (damals noch mit Chantal Laboureur) denkbar knapp verpasst hatte.

Aber es entspricht nicht dem Naturell der Stuttgarterinnen, sich mit der Teilnahme zufriedenzugeben. Sie wollten vorne mitmischen, haben sie doch in der Vergangenheit gezeigt, dass sie potenziell jedem Team gefährlich werden können. Borger und Sude schielten in Tokio auf eine Medaille, stattdessen gab es nun das frühe Aus in der Gruppenphase. Das Duo erreichte nie sein Leistungslimit und hat es nicht geschafft, das mögliche Niveau (gleichzeitig) abzurufen. Dazu kommen ungewöhnlich viele Eigenfehler. “Es fühlt sich gerade einfach nur miserabel an”, schrieb Borger.

Die Bedingungen waren schwierig

Unter Umständen, die alles andere als gewöhnlich sind, herrscht beim olympischen Turnier ein noch höherer Leistungsdruck als sonst. In der Vorbereitung fehlten pandemiebedingt oft Ausgleichsmöglichkeiten, vor Ort stehen alle Athlet:innen durch das strenge Hygienekonzept unter zusätzlichem Stress und die Unterstützung durch das Publikum fehlt. Die Erwartungen des Umfelds sind trotzdem hoch. Oft wird betont, dass man dankbar wäre, überhaupt antreten und die Atmosphäre ausblenden zu können. Eine Rolle spielt es dennoch, die Umstände machen die Spiele mental zu einer größeren Herausforderung als sie ohnehin schon sind. Wie auch die Hitze, die hohe Luftfeuchtigkeit und der Wind sind die Bedingungen für alle Teams gleich, aber nicht alle kommen gleich gut damit zurecht.

Mit der Europameisterschaft, dem “King of the Court”-Event in Hamburg und der Deutschen Meisterschaft stehen noch einige größere Turniere in den nächsten Wochen auf dem Programm, Borger und Sude konnten und wollten sich zunächst nicht zu ihrer Zukunft darüber hinaus äußern. “Das kann ich gerade nicht beantworten, mein Kopf ging bis Olympia - bis heute. Man macht sich keine Gedanken darüber, was danach kommt oder nicht”, sagte Karla Borger. Julia Sude versuchte sich an etwas Optimismus: “Im Moment überwiegt natürlich die Enttäuschung. Nach ein paar Nächten Schlaf gibt es aber viele Momente, an die ich mich immer erinnern werde."

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