Eine Frage des Mindsets

Clemens Wickler und Julius Thole erfüllen sich beim Beach-Volleyball-Turnier der Olympischen Spiele ihren Kindheitstraum. Auf dem einzigen deutschen Herren-Duo ruhen viele Hoffnungen und Erwartungen.

Clemens Wickler und Julius Thole wissen noch genau, wo sie den historischen Olympiasieg von Julius Brink und Jonas Reckermann verfolgt haben. Beide spielten ein Jugendturnier und schauten abends gemeinsam mit Freunden das Finale von London. “Ich habe zu Brink/Reckermann aufgeschaut, Olympia-Gold ist das Größte, was man überhaupt gewinnen kann. Ich habe immer gehofft, etwas Ähnliches zu erreichen”, erinnert sich Clemens Wickler. Gut neun Jahre später stehen Wickler und Thole kurz vor ihren ersten Olympischen Spielen und vertreten die deutschen Farben als einziges Herren-Team in Tokio.

Das Duo reiste am Sonntag mit der deutschen Beach-Volleyball-Delegation nach Tokio, eine Woche später (25. Juli, 13 Uhr) greifen Thole/Wickler zum Auftakt gegen die Italiener Daniele Lupo und Paolo Nicolai in das Geschehen ein. “Wir hoffen, dass wir erfahrener geworden sind und die Aufregung schnell ablegen können. Es geht hauptsächlich darum, in das Turnier hereinzukommen”, betont Thole. Sie wollen jedes Spiel bestmöglich spielen und sehen, was kommt, sagt auch Wickler. Auch wenn das Duo die Erwartungen niedrig halten möchte: Sie sind die größte Medaillenhoffnung des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) bei den Spielen in Tokio, auf ihnen ruhe viele Erwartungen. “Das Halbfinale ist das Ziel, dann müssen wir weiterschauen. Sie haben bei der Weltmeisterschaft in Hamburg bewiesen, dass sie das richtige Mindset haben”, sagt Niclas Hildebrand, DVV-Sportdirektor für Beach-Volleyball. “Die Frage ist, ob sie das wieder abrufen können.”

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Die Höchstleistungen bei den Großereignissen abgerufen

Auch dank der Silbermedaillen in Hamburg und bei den World Tour Finals in Rom gelang Thole und Wickler die bemerkenswerte Leistung, sich schon im ersten Anlauf für Olympia zu qualifizieren. Bei den (wenigen) World Tour-Turnieren gab es nur noch vereinzelt Ausreißer nach oben, abseits der Großereignisse holten sie noch eine Medaille. Die Qualifikation war geprägt von der Corona-Pandemie, dazu kamen immer wieder kleinere und größere Verletzungssorgen. Clemens Wickler musste im Frühjahr der Blinddarm entfernt werden, jetzt ist er “topfit”, sagt Martin Olejňák, Trainer des Duos. Die Knöchelverletzung von Thole sei auskuriert, in Topform ist der 24-Jährige noch nicht wieder. Nicht nur deswegen kommt dem deutschen Duo der Turniermodus mit viel Pause zwischen den Spiel entgegen. 

Thole und Wickler gehen von Setzplatz sieben aus in das olympische Turnier, erwischten mit dem Gastgeberteam Gottsu/Shiratori einen dankbaren Gruppenkopf. Die Polen Piotr Kantor und Bartosz Losiak bezeichnet Wickler dagegen als “Weltklasse”, sie zeigten sich zuletzt in bestechender Form. Auch Nicolai/Lupo, Olympia-Silbermedaillengewinner von 2016, befinden sich auf Augenhöhe. Seit Wochen läuft die akribische Vorbereitung des Trainer- und Scoutingteams, können Thole und Wickler auch ihre taktische Disziplin abrufen, zählen sie zu den Medaillenkandidaten.

Ein erfüllter Kindheitstraum

Vor allem Julius Thole konnte sich lange nicht auf die Spiele freuen, die Verschiebung hat ihn hart getroffen. “Vielleicht ist es ganz gut, dass wir keinen Vergleich zu anderen Spielen haben”, sagt Thole. Einmal mehr betont er, wie wichtig die Arbeit mit Sportpsychologin Anett Szigeti sei, die ebenfalls mit vor Ort ist. Bei der Einkleidung des deutschen Teams kam die Vorfreude langsam auf, das Gefühl wollen sie sich auch von den ungewöhnlichen Corona-Bedingungen nicht nehmen lassen. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa betont Thole, dass im Athletendorf trotz allem “olympisches Flair” aufgekommen sei. “Olympia war mein Kindheitstraum. Seitdem ich spiele, habe ich alles dafür investiert”, sagt Wickler. „Wir hätten auch auf dem letzten Platz am Stadtrand von Tokio mit selbstaufgebautem Netz gespielt.”

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